Derzeit gibt es wenige Dysphagiescreenings die speziell für die älteren Menschen in Pflegeheimen oder auf allgemeinen Stationen validiert wurden. Ein Fragebogenscreening, welches gute Sensitivität und Spezifität zur Aufdeckung von Dysphagie und Aspirationsneigung zeigt ist der EAT-10. Allerdings muss danach eine weitere Abklärung bezüglich der geeigneten Kostform erfolgen. Das Gugging Swallowing Screen (GUSS) ist für die Anwendung von akuten Schlaganfall Patienten gedacht.
Daher kam die Idee den GUSS für Geriatrische PAt. zu adaptieren. Derzeit ist bereits der GUSS-ICU validiert und publiziert worden und erst kürzlich (1/24) ist ein modifizierte GUSS für Laryngektomierte Pat. veröffentlicht worden: Modified Gugging Swallowing Screen: A New Bedside Evaluation Tool for Swallowing Function in Patients with Open Partial Laryngectomy before Oral Feeding: A Single-Centre Retrospective Study
Ich möchte diesen Blog nutzen um zu diskutieren welche Bereiche man beim GUSS ändern sollte, damit er auch für geriatrische Menschen anwendbar ist.
Bereiche die bereits verändert wurden:
- Willkürliches Husten in der Voruntersuchung darf mit 1 beurteilt werden, wenn der Pat. aus kognitiven Gründen die Aktiviät des Hustens nicht umsetzen kann.
- Vor dem Speichelschluck sollte bei sehr trockenem Mund eine Mundhygiene stattfinden.
- Die orale Phase beim Bolusschluck darf 5 Sekunden dauern, beim Festschluck bis zu 23 Sekunden.
- Die Breischlucke bestehen weiterhin aus eingedicktem Wasser, allerdings brauchen nur mehr 3 Schlucke überprüft werden.
- Wenn nur ein Evaluationskriterium beim Wassertest auffällig ist, darf zum Festen weiter gegangen werden.
- Die Diätempfehlungen lehnen sich an die IDDSI Standards an. Bei 16-19 Punkte darf Wasser nach dem Frazier Free Water Protokoll verabreicht werden.
Soweit mal die ersten Veränderungen.
Ich würde um Diskussion und Vorschläge bitten.
Was ich mich noch frage ist, ob man nicht Mischkonsistenzen oder das Schlucken von Tabletten auch integrieren sollte, allerdings wird es dann zu lange und zu kompliziert denke ich.
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Nina Egger (Mittwoch, 25 Januar 2017 18:39)
1. Ich finde es immer interessant ob Schlucken z. Bsp. bei breiiger Konsistenz nur nach wiederholter verbaler Aufforderung oder manueller Stimulation stattfindet und 5 Sekunden kommt mir für hochbetagte demente Patienten sehr kurz vor ( aber da gibt es sicher schon genormte Werte, die ich nur nicht kenne). Liebe Grüße von der Hno Graz von Nina Egger
Michaela Trapl (Mittwoch, 25 Januar 2017 18:55)
Danke für deine Anregung liebe Nina! Ich habe mir so schwer getan Studien zu finden, wo ich auch nur annähernd Werte für die orale Phase bei geriatrischen Patienten bekomme. Letztlich bin ich dann auf diese Werte gekommen die für den Breischluck als sehr großzügig gesehen werden. Beim Festschluck variieren die Werte noch stärker und es gibt Angaben von über 20 Sekunden. Es müsste wirklich mal auch nach Altersgruppen systematisch untersucht werden. Wäre vielleicht was für eine Masterthesis ;-) Danke für deinen Beitrag!
Manu (Mittwoch, 25 Januar 2017 19:05)
Ich finde das Thema Zahnstatus sehr wichtig, da schlecht sitzende oder fehlende Prothesen oft die orale Phase verlängert, auch bei Brei.
Michaela Trapl (Mittwoch, 25 Januar 2017 19:09)
Meinst du auch, dass man daher die orale Phase bei Breiig / Fest großzügiger ansehen sollte? Mehr als 5 / 15 Sekunden? Sollte man bei schlecht sitzender Prothese diese entfernen?
Susi (Mittwoch, 25 Januar 2017 20:11)
Ganz tolle Sache!
Ich schreibe gerade meine Masterarbeit gbau darüber, welche Werte als 'physiologisch presbyphagisch' gelten. Da kann ich dir im Sommer hoffentlich etwas detaillierter Auskunft geben. Ich halte jedenfalls eine Abstufung von nicht mehr normal schlucken aber nur presbyphagisch zu adaptieren wichtig. Gerade zum Beispiel für Personen mit schlechtem Zahnstatus, die daran aber oft nichts ändern wollen, also die Prothese zB nicht tragen. Entfernen einer schlecht sitzenden Prothese halte ich nur für sinnvoll, wenn die Patienten sie auch beim Essen selbst entfernen würden. Tun sie aber oft nicht, also müssen wir unter den maximal realen Bedingungen screenen, auch wenn diese absolut suboptimal sind. Ähnliches gilt auch für Patienten mit skelletalen Einschränkungen.
Insgesamt dürfen die Zeitwerte wohl wirklich noch großzügiger gesetzt werden.
Eine rein auditive Stimmklang-Einschätzung vor und nach dem Schlucken könnte interessant sein, also ein AAA oder das Singen einer Strophe Kinderlied oder was auch immer, für höhergradig demente Patienten, wo Räuspern oder Husten auf Aufforderung einfach nicht mehr stabil zu beurteilen bzw abzurufen ist.
Der willkürliche Speichelschluck ist meiner Erfahrung nach oft schwierig ohne Bolus und nur auf Aufforderung.
Gemischte Konsistenzen würde ich nicht einbauen, ich glaube das ist sehr schwer zu normieren und mit drei Konsistenzen ist ein Screening ja schon ein guter Überblick. Auch die Tabletten sind wahrscheinlich praktisch sehr schwer zu normieren, es bekommen ja nicht alle lauter gleich große Pillen, manche sind schneller löslich, manche sind befilmt,... Die werden ja meistens im Zweifelsfall eh zermösert.
So, ich hoffe ich habe nichts vergessen :-)
Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse! Und nach meiner Karenz beteilige ich mich auch sehr gern an der Validierung!
Marlies Jobstmann (Mittwoch, 25 Januar 2017 20:51)
Liebe Michi!
Großartige Sache - ich freue mich auf dein Endprodukt :)
Da ich viel in Pflegeheimen unterwegs bin und auch dem Pflegepersonal dort Schulungen gebe, finde ich die Frage auch die Mischkonsistenzen zu testen absolut berechtigt, denn der Klassiker "Patient verkutzt sich bei der Grießnockerlsuppe mit Schnittlauch" wird allzu oft gehört! Vielleicht lässt sich die gemischte Konsistenz mit einer Backerbse in Wasser testen?!
Liebe Grüße aus Graz,
Marlies
(vormals "Zwanzger ;))
Anna Seebacher (Mittwoch, 25 Januar 2017 21:42)
Hallo Michaela,
Anregung habe ich derweilen keine, dafür aber eine Frage: wird der GESS für "gesunde" alte Menschen (wie du oben schreibst) anwendbar sein, oder auch für demente Menschen? Sprich detektiert er Presbyphagien oder dementielle Dysphagien? Wenn er sich auch an demente Pat. richtet, wird der kognitive Status (zB. MMST) auch berücksichtigt?
Ganz liebe Grüße,
Anna
Michaela Trapl (Donnerstag, 26 Januar 2017 10:13)
@ Susi: Danke für die Inputs! Zahnstatus und skelettale Einschränkungen sind wichtig aber doch auch sehr individuell. Ich denke, dass es da sehr sehr schwierig wird das richtig zu erfassen, daher vielleicht wirklich die orale Transitzeit verlängert ansehen wie du sagst. Stimmklangeinschätzung ist wieder im Screening drin genau wie beim Guss. Es darf aber natürlich auch gesungen werden um die Stimme zu evaluieren. Danke für den Hinweis das kann ich noch ändern. Den Speichelschluck schaue ich bei kognitiv sehr beeinträchtigten Patienten nur beobachtend an, bzw. benetze ich einen Löffel mit Wasser und versuche so den Speichelschluck zu initiieren.
Das mit den gemischten Konsistenzen ist so eine Sache: Da hat Hr. Werner in seinem GUSS-Plus eine gute Idee gehabt und einfach beim Brot Essen ein Wasser dazu trinken lassen als letzten Test für gemischte Konsistenzen.
Ich habe es momentan so gelöst: Wenn jemand 20 Punkte im GESS erreicht, steht in den Diätempfehlungen, dass man die erste Normalkost Mahlzeit supervidieren soll, damit man sich gemischte Konsistenzen in der Essensituation noch einmal anschaut.
Das Schlucken von Medikamenten einzuschätzen gehört dann denke ich in die Hand der Logos bzw. alles was unter 20 Punkte ist, sollte man wirklich vorsichtig betrachten und soweit geht zerkleinert anbieten oder gut verpackt in einem Breibolus. Letzteres wäre eine Idee für eine Master oder Doktorarbeit. Wie gefährlich ist es Medikamente mit Breibolus zu verabreichen. Das hat glaube ich noch niemand untersucht!
@Marlies: Danke auch für deinen Beitrag! Die Idee mit der Backerbse mit Wasser finde ich gut!
@Anna: Das ist eine sehr gute Frage: Ich habe auch darüber viel nachgedacht. Und es ist schwierig darauf zu antworten aber ich versuche es. Primär soll der GESS gedacht sein für alternde Menschen die in Richtung primäre Presbyphagie tendieren, aber auch dort wo sich eine Presbyphagie durch eine zusätzliche Erkrankung zu einer oropharyngealen Dysphagie entwickelt. Bei geriatrischen Patienten kommen unweigerlich auch welche dazu die kognitive Einbußen oder leichte Demenzen haben. Ich schließe daher alle mit ein, außer diejenigen die schwere Demenzen mit Verhaltensstörungen zeigen. Ab wann eine Demenz eine hochgradige ist, kann ich nicht sagen, weil ich mich dazu erst noch näher beschäftigen muss. Ich hoffe, dass das ein wenig hilft?
Elisabeth Draxler (Donnerstag, 09 Februar 2017 00:13)
Hallo Michaela, der Demenzgrad ist bei PflegewohnhausbewohnerInnen meist bekannt (MMSE und ergänzende Untersuchungen durch PsychologInnen). Er sollte durchaus mit einbezogen werden, denke ich. Da wir häufig auch höhergradig demente Personen zur Diagnostik zugewiesen bekommen, wäre es fein, wenn der GESS auch diese mit einschließt. Zugegebenermaßen eine große Herausforderung, aber das ist die Alltagsrealität in den PWHs.
Michaela (Donnerstag, 09 Februar 2017 18:38)
Danke für deinen Beitrag Elisabeth! Eine wertvolle Info! Danke!
Erika (Donnerstag, 18 Januar 2024 12:43)
Hallo Michaela,
ich bin sehr interessiert am GESS. Ich arbeite unter anderem in der Geriatrie einer Klinik und merke, dass die gängigen Screenings für dieses Klientel nicht gut passen.
Wie weit fortgeschritten ist denn die Entwicklung des GESS?
Und ich wüsste gerne Deine Meinung zum Dysphagie Screening Tool Geriatrie (DGST) der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie DGG e.V.?
Ich freue mich auf deine Rückmeldung,
Liebe Grüße,
Erika
Michaela (Dienstag, 23 Januar 2024 10:33)
Liebe Erika, danke für deinen Beitrag. Das GESS Projekt ist zwischenzeitlich auf Eis gelegt worden, dafür haben wir den GUSS-ICU validiert. Meines Wissens ist gerade ein Screening für die Geriatrie in Entwicklung, es wird aber noch ein wenig dauern bis es veröffentlicht wird.
Zum DGST: Die Problematik an reinen Wassertests bleibt immer die Gleiche: Es geht darum wie rasch eine kompetente weitere Evaluierung der Schluckfunktion erfolgen kann wenn der Test auffällig ist. Wenn solche Tests in Pflegeeinrichtungen stattfinden sollen, und keine Logopädin greifbar ist, dann kann das für den/die Patient:in, der/die sich bei Wasser verschluckt und somit im Test auffällig ist, fatale Folgen mit langen NPO Phasen bedeuten. Ich finde Wassertests zur raschen Abklärung einer Dysphagie gut, allerdings MUSS gewährleistet sein, dass bei Auffälligkeiten innerhalb von kurzer Zeit eine Logopädin hinzugezogen werden kann.
Multikonsistenztests eignen sich dann wenn weitere Evaluierungen nicht zeitnah stattfinden können, weil mehrere Konsistenzen abgeprüft werden und rascher auf eine mögliche Kostform umgestellt werden kann. Dies verhindert unnötig lange NPO Phasen oder gar das Legen von Nasogastralsonden.